Rathaus
Geschichte des Rathauses
Als Köthen (Anhalt) erstmals im 12. Jahrhundert erwähnt wurde, besitzt es seit dieser Zeit auch ein Rathaus. Das jetzige Rathaus ist bereits das vierte seit seiner Erwähnung. Der Standort der drei Vorgänger war jedoch immer an der gleichen Stelle. Das erste Rathaus wahrscheinlich im 13. Jahrhundert erbaut. Das zweite Rathaus wurde im Jahr 1457 erbaut, war zweigeschossig und besaß bereits einen Ratskeller. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts war dieses Gebäude baufällig und wurde 1638-1639 durch ein neues Gebäude ersetzt. Das neue Gebäude war aber von Anfang an zu klein für Verwaltung und Polizei, später beherbergte es auch noch die Sparkasse. 1876 wird die Marktstraße 2 dazu gekauft, aber das Rathaus wird immer baufälliger.
Neubau des Rathauses
Trotz Umbaumaßnahmen im Jahr 1876 sind die Räume im Rathaus 1894 so baufällig, dass die städtischen Gelder nach Meinung der Kreissparkasse nicht mehr sicher gelagert werden können. Der Rat wird so zum Handeln gezwungen. Am 4. April 1876 erfolgte der Aufkauf des Hauses Marktstraße 2. Laut Beschluss des Gemeinderates vom 10. Dezember 1894 wurde das Haus Marktstraße 3 zurückgekauft. Am 15. Februar 1895 fasste der Gemeinderat einen Beschluss zur allgemeinen Konkurrenz unter deutschen Architekten. Die einstimmige Entscheidung ging dahin, dass von den aus allen Teilen Deutschlands eingegangenen 44 Entwürfen, keiner unverändert in Fassade und Grundriss zur Ausführung geeignet sei und so der erste Preis deshalb nicht verteilt werden konnte. So wurde die Preissumme von 5.000 Mark in zwei zweite und zwei dritte Preise zerlegt.
Zuschlag beim Architektenwettbewerb für Reinhard und Süssenguth
Einen zweiten Preis erhielten Reinhard und Süssenguth aus Berlin - Charlottenburg, bekannt durch ihre Bauten in Potsdam. Sie erhielten den Auftrag zur Ausfertigung aller erforderlichen Detail- und Arbeitszeichnungen und die künstlerische Überwachung des ganzen Baues übertragen. 1896 wurde das ehemals Fürstenheimsche Haus (Trakt Sitzungssaal) abgerissen. Am 21. März 1898 folgte der Abschied der Gemeinderatsmitglieder von dem alten historischen Ratskeller. Dann begann der Abbruch des alten Rathauses. Wegen der in zwei Abschnitten erfolgten Ausführung des gesamten Rathauses, wurde von einer feierlichen Grundsteinlegung Abstand genommen. Am 2. Mai wurde der im zweiten Teilbau zuerst fertig gestellte, künstlerisch ausgeschmückte neue Ratssaal, durch eine Festveranstaltung des Gemeinderates übergeben.
Die Einweihung des vierten und jetzigen Rathauses fand am 29. Oktober 1900 statt.
Stilistisch ist das Rathaus ein Neorenaissance-Gebäude mit Jugendstilelementen und nimmt wegen der Qualität seiner architektonischen und innenarchitektonischen Gestaltung einen bedeutenden Platz unter den Repräsentationsbauten der Jahrhundertwende in Sachsen-Anhalt ein. Da sein Originalzustand weitgehend erhalten ist, hat es einen erheblichen Denkmalwert. Die Deckenbemalungen an den Portalen im Eingang stammen aus dem Original und sind gut erhalten. Das Rathaus hat 46 Zimmer, 234 Fenster und eine Höhe von 48 Metern (Turmspitze).
Der Ratssaal im Köthener Rathaus
Das Prunkstück ist der von Süßenguth entworfene und von dem Köthener Tischlermeister Naumann ausgeführte Ratssaal. Dieser Saal verkörpert wunderschöne Handwerksarbeit: Bleiverglasung, Parkett, handgeschmiedete Kronleuchter; reich dekorierte Holzvertäfelung (Städtewappen, Holzplastiken, Ornamentschnitzereien), Tische, Stühle aus Eichenholz und alles aus dem Original stammend.
Die Errichtung des Ratssaals war eine finanziell sehr aufwendige Angelegenheit. Doch der Köthener Bürger Felix Friedheim, ein jüdischer Bankier, schenkt der Stadt anlässlich seines 100jährigen Geschäftsjubiläums erhebliche Gelder zur Ausgestaltung des Rathauses. Er wurde deswegen und wegen anderer wohltätiger Stiftungen 1895 zum Ehrenbürger der Stadt Köthen (Anhalt) ernannt.
Figuren, Wappen und Sinnsprüche im Ratssaal
Die 14 allegorischen Frauenfiguren verkörpern Bereiche des gesellschaftlichen Lebens sowie Eigenschaften und Tugenden: Kunst, Wissenschaft, Barmherzigkeit, Sparsamkeit, Fleiß, Ackerbau, Beredsamkeit, Verschwiegenheit, Gerechtigkeit, Weisheit, Frömmigkeit, Reichtum, Gewerbe und Wahrheit (Reihenfolge von rechts). Eng damit im Zusammenhang stehen auch die Sprüche am Gebälk und im Fenster, wie beispielsweise:
- "Die Wahrheit ist ein selten Kraut, noch seltener, wer sie gut verdaut."
- "Gerechtigkeit war stets der Grund, worauf ein wahrer Mann bestand."
- "Einigkeit ein festes Band, hält zusammen Leut und Land."
- "Wer guter Meinung kommt herein, der soll hier stets willkommen sein. Wer aber anders kommt herfür, der bleibe lieber vor der Thür."
- "Viel Reden und wenig sagen, davor mögt gütlich uns bewahren."
- "Ein halber Mann, der nicht nein oder ja sagen kann."
- "Eines Mannes Rede ist keines Mannes Rede, man soll sie hören alle beide."
- "Wenn einer kommt und sagen kann, er habe es allen recht getan, so bitte ich diesen lieben Herren, er möcht' uns diese Kunst auch lehren."
- "Wer dem Publikum dient, ist ein armes Tier, er quält sich, niemand bedankt sich dafür."
Die Eule im Fenster versinnbildlicht die Weisheit der hier zu fassenden Beschlüsse. Einhaltung des Rechtes von Land und Bund durch diese Beschlüsse fordert die Inschrift "Lex" (Gesetz).
Auf den beiden Eingangstüren sind die folgenden Aufforderungen zu finden:
- "Eingang, Ausgang früh und spat, diene stets dem Wohl der Stadt."
- "Widmet Eure volle Kraft dem Gedeih der Bürgerschaft."
- "Da Reden Silber, Schweigen Gold, Ihr stets das Mittel wählen sollt."
Auf der Rückseite des Präsentationsstuhles steht: „In Worten zart, in Werken hart.“
Die Wappen der Städte aus dem Herzogtum und den angrenzenden Ländern Sachsen, Preußen, Thüringen und Braunschweig, die sich Im Oval des Ratssaales befinden, sollen auf den Zusammenhalt der damaligen deutschen Bundesstaaten und der Einigkeit im Lande hinweisen.
Sponsor des Ratssaales
Den Ratssaal errichten zu lassen, war eine finanziell sehr teure Angelegenheit. Der Köthener Bürger Felix Friedheim, ein Bankfachmann jüdischen Glaubens, hat aus Anlass seines 100jährigen Geschäftsjubiläums einen großen Teil finanzieller Mittel zur Ausgestaltung des Rathauses, der Stadt zum Geschenk gemacht. Er wurde für diesen Verdienst als Ehrenbürger der Stadt Köthen (Anhalt) geehrt. Am 12. Januar 1901 erfolgte auf dem reformierten Friedhof (heute Friedenspark) die Übergabe des verewigten Kommerzienrat Felix Friedheim, errichteten Grabmonumentes. Das Denkmal ist dort heute noch zu besichtigen.
Neue Gemälde für den Ratssaal
In den Rahmen an Ost- und Westseite des Ratssaales hingen von der Erbauung des Rathauses an immer die politischen Führer der Nation. Diesen Personenkult beendete man mit der Wende im Jahr 1989 und ließ die Rahmen leer. Seit dem 2. Mai 2008 hängen dort klassische Ölgemälde von Personen mit Verbindung zum Rathaus - an der Ostseite ein Bildnis des "Bauherren" des Rathauses, Oberbürgermeister Ferdinand Schulz (1860-1911) und an der Westseite ein Bildnis des Stifters des Ratssaales Felix Friedheim (1845-1900). Die Gemälde wurden über Spenden finanziert.
Ahnengalerie der Oberbürgermeister
Im Treppenhaus zwischen 1. und 2. Obergeschoss befindet sich seit dem 100-jährigen Jubiläum des Rathauses im Jahr 2000 eine Ahnengalerie der Oberbürgermeister der Stadt Köthen (Anhalt). Seit 1391 namentlich bekannt, sind hier Bilder der bisher 16 Oberbürgermeister seit Erbauung des Rathauses ausgestellt. Die Bilder für die Ahnengalerie stammen aus dem Bestand des Stadtarchivs oder wurden durch Amtsinhaber und deren Nachkommen zur Verfügung gestellt.
Rathaus behindertengerecht durch Fahrstuhl
Um älteren Bürgerinnen und Bürgern mit Behinderungen den Zugang zu Ämtern im Rathaus zu erleichtern, wurde das Rathaus im Jahr 2011 mit einem Aufzug ausgestattet. Der Aufzug befindet sich am Ende des Seitenflügels auf der Seite zum Hof, der Zugang erfolgt seitlich vom Hof. Um den Zugang für Behinderte zu gewährleisten, wurde im Hof eine rollstuhlgerechte Rampe errichtet. Der Aufzug hält in jeder Etage, Bedientableaus sind in entsprechender Höhe angeordnet.