Stadtnachrichten

Köthener Bahnhofsensemble - wichtiges Zeugnis der Eisenbahnhistorie

Als am 19. Juni 1840 die "Magdeburg-Cöthen-Halle-Leipziger Eisenbahngesellschaft" (MCHLE) und kurz darauf, am 1. September 1840, die "Berlin-Anhaltische Eisenbahngesellschaft" (BAE) den Verkehr aufnahm, entstand in Köthen der erste Eisenbahn-Knotenpunkt auf dem Gebiet des Deutschen Bundes. Dank der Weitsichtigkeit Herzog Heinrichs von Anhalt-Köthen brachte die Eisenbahn den Anschluss an das wirtschaftlich weiterentwickelte Preußen und Sachsen und damit die Möglichkeit zur Überwindung der zwergstaatlichen und kleinstädtischen Enge.

Beide Bahngesellschaften ließen sich damals entsprechend der verkehrsmäßigen Bedeutung des Ortes ihre repräsentativen klassizistischen Empfangsgebäude durch den ortsansässigen Baumeister C. C. Hengst errichten. Die sich gleichenden Stationsbauten, der so genannte Berliner und der Magdeburger Bahnhof, waren symmetrisch zu beiden Seiten der Gleisanlagen angeordnet. Zeitgleich entstand an der nördlichen Bahnhofsausfahrt ein prächtiges Restaurationsgebäude mit Konditorei, Spielbank und mehreren eleganten Salons sowie westlich von diesem ein Bahnpostgebäude.

Während der Berliner Bahnhof 1911 bei Umbauarbeiten zu den heutigen Bahnhofsanlagen abgerissen wurde, ist das Gebäude des Magdeburger Bahnhofes als "Tanzschloss" erhalten geblieben. Die, nach einem Brand 1884 nur teilweise wieder aufgebaut, wird heute als Hotel genutzt. Das durch Umbauten leicht veränderte Gebäude der Post steht derweil ohne Nutzung leer.

Neue Entwicklungen im Eisenbahnverkehr machten bald auch den Bau größerer Empfangsgebäude nötig. Doch da sich die Bahngesellschaften nicht auf einen gemeinsamen Zentralbahnhof einigen konnten, erhielt die MCHLE 1870/71 südlich des Magdeburger Bahnhofs ein neues Empfangsgebäude, die BAE erbaute gemeinsam mit der Magdeburg-Halberstädter Eisenbahn (MHE) in 120 m Entfernung als sowohl funktionales als auch gestalterisches Pendant den Berlin-Halberstädter Bahnhof. Beide Ziegelbauten in den historischen Formen der Neogotik werden heute ebenfalls nicht mehr genutzt.

Durch die Verstaatlichung der Eisenbahngesellschaften durch die Königlich Preußische Eisenbahn Verwaltung in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts konnte die Idee eines Zentralbahnhofes für Köthen endlich verwirklicht werden. Die Umbauarbeiten der zerstreuten Bahnhofsanlagen begannen am 1. April 1911. Dabei wurden auch das Gleisplanum angehoben und die querenden Straßen abgesenkt, um Unterführungen anlegen zu können. Die durch den 1. Weltkrieg zur Einstellung gezwungenen Bauarbeiten wurden 1920 zu Ende geführt. Südlich der beiden Magdeburger Bahnhöfe entstand das neue, in schlichten neobarocken Formen errichtete Empfangsgebäude, welches noch heute, im Besitz der Deutschen Bahn AG, seine ursprüngliche Funktion erfüllt. Der Glanz vergangener Tage ist freilich längst verblasst.

Auch viele der zum Bahnhof gehörenden Nebengebäude sind in Köthen erhalten geblieben. Der Bahnwasserturm z. B. war einer der ersten mit einem Kugelbehälter der "Bauart Klönne", deren Wasserbehälter den Endpunkt der Gusseisen- bzw. Stahlbehälterbauten zur Wasserspeicherung markierten. Weiterhin sind ein Übernachtungs-, Aufenthalts- und Werkstattgebäude (1915 neben dem Lokomotivschuppen errichtet), mehrere Stellwerksgebäude aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts sowie ein ringförmiger Lokomotivschuppen und das Umspannwerk erhalten geblieben, die heute allesamt unter Denkmalschutz stehen.

Für die Erhaltung dieser historisch bedeutsamen Anlage bedarf es jedoch konkreter Nutzungsüberlegungen zum rücksichtsvollen Umgang mit der erhaltenen Substanz. Dafür ist die intensive Auseinandersetzung mit der Geschichte jedes einzelnen Bauwerks von Bedeutung. Einige Denkanstöße für die Rekultivierung der Köthener Bahnhofsanlagen gibt eine Gemeinschaftsarbeit der Kunsthistorikerin Anja Wildenhayn und der Architektin Jacqueline Franke in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg aus dem Jahr 2006. Die Absolventinnen entwarfen zudem eine Postkarte, die dazu anregen soll, die Erinnerung an das Bahnhofsensemble und dessen Bedeutung für die Entwicklung der Stadt wieder aufleben zu lassen. Sie hoffen dabei vor allem, das Interesse der Köthener Bürger an der Entwicklung eines nachhaltigen Nutzungskonzeptes für die ehemaligen Bahnhofsanlagen zu wecken.

19.06.2007
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